Johann Hofmann

Was ist jetzt entscheidend?

Seit der initialen Aufgabe im Jahr 2011, Fördermittel zu verteilen, hat sich die Rolle von INDUSTRIE 4.0 gewandelt. Nun zielt sie darauf ab, die digitale Transformation durch Standardisierung und Normung voranzutreiben, ohne dabei die Innovationskraft der Hersteller von Maschinen und Anlagen zu beeinträchtigen.

Ein Produktions- oder Fertigungsleiter verfügt über umfassendes Wissen in Bezug auf die verwendeten Technologien, wie z.B. Fräsen, Drehen, Spritzgießen, Schleifen oder Verzahnen. Zudem ist er ein Fachmann in Sachen Qualitätssicherung und Einhaltung von Produktionsfristen. Auch in der Mitarbeiterführung ist er versiert. Allerdings ist er in der Regel kein IT-Experte.

Beim Kauf einer neuen Maschine erwartet er, dass diese einfach in der Produktionshalle installiert und angeschlossen werden kann – ohne sich mit Themen wie RAMI 4.0, Verwaltungsschalen, OPC UA oder dem Unterschied zwischen MES und MOM auseinandersetzen zu müssen. Er möchte sich darauf verlassen können, dass der Datenaustausch mit der neuen Maschine sofort und zuverlässig funktioniert, damit er sich auf die Überprüfung der durch die Maschine ermöglichten Qualitätsstandards konzentrieren kann.

Das Konzept „Plug & Produce“ ist daher der Wunschtraum jedes Produktionsleiters, da es eines seiner Probleme lösen würde. Dies erfordert jedoch, dass alle erwähnten Aspekte als steckerfertige INDUSTRIE 4.0-Komponenten verfügbar sind.

Herausforderung

In der Fertigung, besonders bei der Nutzung von NC-Maschinen, stellt die Verwendung proprietärer Datenformate durch verschiedene beteiligte Systeme (wie NC-Maschinen, Werkzeugeinstellgeräte, Lagersysteme etc.) ein verbreitetes Problem dar. Die bereichsübergreifende Bereitstellung von Prozessdaten gestaltet sich oft schwierig. Die Vernetzung eines historisch gewachsenen Maschinenparks gleicht einem komplexen und mühsamen Prozess, der für jede Maschine individuell bewältigt werden muss. Zudem führt die Vielfalt an Datenformaten zu unvorhersehbaren Nebeneffekten, die am Entstehungsort der Software nicht nachvollziehbar sind.

Vision:

Ein Beispiel für eine erfolgreiche Umsetzung ist die Installation von Druckern. Während dies unter Windows XP oder früher oft kompliziert war, konfiguriert sich ein neu angeschlossener Drucker unter Windows 10 automatisch („Plug and Play“). Die Idee von „Plug & Produce“ ist es, dieses Prinzip auf Fabrikhallen zu übertragen, sodass CNC-Maschinen und Fertigungsanlagen genauso einfach in Betrieb genommen werden können, da sie sich selbstständig konfigurieren.

Fazit

Von der INDUSTRIE 4.0 Plattform erwarte ich die Entwicklung eines Regelwerks (Data Governance) für die Digitalisierung, an das sich alle Hersteller halten müssen. Andernfalls würde ich den Einsatz von INDUSTRIE 4.0 in der diskreten Fertigung als gescheitert betrachten. Sollte dies nicht gelingen, müssen wir die bisherige Praxis des behelfsmäßigen Vorgehens fortsetzen, die dann aber nicht mehr INDUSTRIE 4.0, sondern treffenderweise „Gefrickel 4.0“ genannt werden sollte. Statt von „Plug & Produce“ zu träumen, müssten wir uns dann mit „Plug & Pray“ abfinden.